Von allen gehasst.

Sei du selbst, es sei denn dein Selbst ist kacke, hab ich mal gesagt. Und was soll man machen, wenn man erkennt, dass das Selbst temporär einfach mal mega scheiße geworden ist? Was ist los mit mir? Wie habe ich es geschafft von mindestens 9 Leuten (habe gerade mal nach gezählt) gehasst zu werden und auf der letzten Familienfeier als Topgespräch Number One zu enden als „Anna die große Enttäuschung?“ Und warum kränkt es einen so, wenn andere Menschen einen einfach nicht (mehr)  mögen?

Angefangen hat alles auf dieser Hochzeit. „Anna, seit wann rauchst du denn?“, fragte meine Oma mich entgeistert. 
„Seit 2 Jahren, wieso?“
 „Das musst du aber bald mal wieder aufhören.“
 „Jo mach ich. Spätestens wenn irgendwann mal Nachwuchs geplant ist.“ 
 „Von wem soll der denn kommen? Vom heiligen Geist?“ 
Und später setzt sich meine Langzeit-Harz-4-Bezieherin-Tante neben Schwester Lola und sagt:
 „Ich habe gerad von der RIESEN Enttäuschung gehört.“
 „Was denn?“
 „Anna macht keinen Doktor.“

 Hallo geht’s noch? Wieso Riesenenttäuschung? Was ist mit meinen Erfolgen im Blockflötenspielen vor 10 Jahren? Oder mit meinem 1er Abi? Und nicht zu vergessen meinem abgeschlossenen Medizinstudium? Und ich hab nen Job mit Festanstellung?! Was hast du überhaupt erreicht in deinem Leben, außer dich 4 mal schwängern zu lassen, denke ich mir, und sage nix. Ich zünde mir lieber noch eine Zigarette an und ernte abschätzige Blicke meines halb-dementen Opas. 

Und dann letztens: Nach 3 Wochen durcharbeiten, habe ich es gewagt 8 meiner Freunde in meine neue Honori Wohnung einzuladen zum gemütlichen Vortrinken. Meinen Nachbarn Wilfried hab ich sogar vorher höflich um Erlaubnis gefragt. 
„Es kommen heute ein paar Leute zu Besuch. Wenns zu laut werden sollte, sag einfach Bescheid.“ „Mach du mal Party! Du bist noch jung!“, sagte er zunächst freundlich.
 Und ich dachte noch: Geil, da kann der Abend nur super werden! Ich hab Wilfried´s Segen! Den anderen Rammel-Nachbarn frag ich gar nicht erst um Erlaubnis. Hallo? Der bereitet mir jede Nacht schlaflose Stunden!?

Mein Kumpel Josus kündigte an: „ Ich bring noch nen Studien Kollegen mit!“ 
„Ist der single und heiß?“
 „Weder noch.“ 
„Mh.“ 

Ach egal. Ich hatte mich schließlich nicht Lumpen lassen und für 100 Euro Alk und Snacks besorgt. Was macht da eine Person mehr oder weniger aus? Nach 10 Minuten, als der Großteil eingetroffen war, verschwand der Jura-Jaust-Kollege im Treppenhaus. Als er verstohlen wieder rein kam, fragte Josus: „Jo, hast du mit deiner Freundin telefoniert?“
 „Jap. Hab sie weggedrückt.“ 
Und ich dachte noch so: „ Was fürn Unsympath.“

Okay ich geb zu: Die Anfeuergesänge beim Flipcupturnier sind etwas ausgeartet. Es war auch nicht klug von Josus alle Fenster aufzureißen mit der Begründung: „Borr Anna lüftest du hier eigentlich auch mal?“. Und dass wir das Crushed Ice mit dem Hammer hergestellt haben, war auch irgendwie nicht so klug, ganz zu schweigen von „Das schlimmste ist wenn das Bier alle is“ – von den Kassierern auf volle Pulle zu drehen. Irgendwann klingelte es an der Tür. 
Tobi machte auf. „Anna… die Bullen.“
„Oh.“

 „Verarscht!!! Es ist nur Buzzer, der aus dem Thailandurlaub wieder da ist.“ 
„Alter, schock mich nie wieder so!“ 

Da betrat Buzzer mit gerümpfter Nase meine Honori Wohnung. „Anna. Irgendwer hat glaube ich ins Treppenhaus gereiert.“ What??? Nach minutenlangen betretenem Schweigen, outete sich der Juraidiot. Von wegen mit seiner Freundin telefoniert.  Erstmal schön übers Geländer gespeit, sodass seine Salamibröckchen auf allen Etagen, meines mit Teppich gesäumten Treppenhauses drappiert waren. Na toll. Wenigstens war er so gnädig, anzubieten es selbst weg zumachen. "Ich hab auch ne Toilette Babe, melde dich doch lieber vorher bei gewissen Bedürfnissen. Zum Beispiel wenn du Stuhlgang loswerden willst", keifte ich verärgert.

 Als er wieder reinkam sagte er nur: „Ein Gentleman genießt und schweigt.“ Und ich dachte mir so: Was für ein Wichser.
Verzweifelt stellte ich meine Duftstäbchen ins Treppenhaus und riss weitere Fenster auf um den Kotzgeruch zu vertreiben. Um halb 1 machten wir uns dann vom Acker. Man muss betonen, wir waren gerade mal 3 Stunden in Action. Trotzdem hatte ich die ganze Zeit im Club das miese Gefühl: Anna das war heute nicht gut.
Am nächsten Tag wachte ich auf und dieser Zettel prangerte an meiner Tür:
Man beachte die Rechtschreibung.




Oh. Wieder einer mehr auf der Welt der mich abgrundtief hasst. Und es lief gerade so gut.
Als ich mich gerade zum Katermittagsschlaf hinlegte, hörte ich durchs Fenster, wie Wilfried sich mit der Chefin des Bonzenrestaurants von gegenüber (und ich war so stolz, dass ich mit der per du bin und dort gelegentlich mein Feierabend Kölsch an der Theke trinken darf) meine Feierlichkeit unterhielt. „Borr ich war so sauer auf Anna gestern!!“ „ Ich klingel da demnächst nochmal, darauf kannst du dich gefasst machen.“ Okay das war zu viel für mein Schamgefühl und ich hielt mir die Ohren zu. Dummerweise hatte der Juravollidiot auch noch einen Salamibrocken im Briefkastenfach von Wilfried vergessen wegzumachen. Ich hoffe nur ich hab es vor ihm bemerkt, sonst Gnade mir Gott.

Heute hatte ich dann mein „Ende-der-Probe-Zeit-Gespräch“ beim Chef: „ Also Frau Fähre, im Grunde genommen sind wir zufrieden mit Ihnen. Aber einige Kollegen haben sich beschwert, dass sie letztens einmal nicht länger geblieben sind um was zu lernen. Es fehlt ihnen anscheinend an Ehrgeiz und Biss!“ Oh. Das saß. Am liebsten hätte ich ihn auf meine 60 Überstunden hingewiesen, und dass ich doch schon jedes Wochenende Dienst schiebe, und dass ich dann manchmal einfach gerne pünktlich gehe. Aber nein. Vielmehr überlegte ich: Welcher Penner hat das gesagt, als der Chef fragte: „Wie findet ihr die Fähre?“ Dann füllte er noch so nen Fragenbogen mit verschiedenen Kategorien über mich aus. Bei christlich/ethische Kompetenzen, sagte er: „ Da können sie sich ne Note aussuchen.“
 „ Dann nehm ich die 1.“ 
   Daraufhin fragte er aufeinmal, wie ich den Kollegen Falko finde, denn es hätten sich mehrere Patientinnen über seinen unfreundlichen Tonfall beschwert. „Ich komme gut mit ihm zu Recht“, war meine Antwort. Hallo? Ich zieh doch hier nicht über meine Kollegen ab, vorm Chef. Dazu bin ich viel zu christlich und ethisch. Ba wie mich das ankotzt. Letztendlich schnitt ich in meiner Probezeit mit der Note 2 ab, was ja voll okay ist, aber dieses Anschwärzen von meinen Kollegen wurmt mich einfach. Ich weiß genau wer das war.

So das ist der Stand der Dinge. Anna Fähre eckt an, und wird mitunter gehasst. Es hassen mich noch mehr Leute, ne Stefan?  Aber der Post ist schon lang genug. Man könnte jetzt resignieren und heulen und sich grundlos betrinken, oder einfach sagen: Hey ab morgen wird alles besser: Ich häng mich ins Zeug, bin geräuschlos und geruchsneutral in der Wohnung und bleibe freiwillich länger auf der Arbeit um nach ner 72 Stunden Woche noch was zusätzlich zu lernen. Letztlich hab ich mich für Ersteres entschieden. Darf ich Vorstellen: Anna der Hass!

3 Kommentare:

  1. You go girl! Ganz ehrlich, es ist auf Dauer auch zu anstrengend, sich von jedem mögen zu lassen. Da fühlt man sich irgendwann wie die Kinderknete aus den kleinen Töpfchen, die es im Kindergarten gibt - zu weich um irgendwas draus zu bauen und schmierig von den ganzen ungewaschenen Patschehändchen, die rein gegrapscht haben. ;)
    Liebe Grüße.
    Kathi

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  2. Das ist ja mal was ganz anderes in Richtung Männerproblemen, überliest man die Familiennummer. ^^

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  3. Es ist besser, einfach der oder die zu sein, die man wirklich ist, anstatt sich zu verstellen, nur um gemocht zu werden. Manchmal ändern sich die Freundschaften, alte Beziehungen passen nicht mehr und dann kommen andere, die dann wieder die richtigen sind.

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Na was sachste dazu, Babe?