Anna Fähre is Back.


Vorwort:

Seit meinem letzten Post hab ich viel Zuspruch von euch Rackern erhalten, dass ich weiter schreiben soll. Danke dafür!

 Und ja: natürlich kann ich nicht aufhören meine crazy Gedankenflut zu teilen.  Und irgendwie macht es mich ja auch aus, über meine Fehler zu lachen, oder?

 Hatte letzte Woche auch schon einen Post verfasst über meine erste Arbeitszeit, aber dann meinte Lola beim Probelesen: „Manche Sachen sind ganz witzig, aber insgesamt eher lame.“
 Ja so ist das, wenn man die Selbstironie rauslässt um professionell zu wirken.
Deshalb werde ich das in Zukunft so halten: Ich mein ich bin jetzt Ärztin und viele meiner Leser wissen auch wo und es besteht immer die Gefahr, dass die denken: Scheiße hoffentlich lande ich nie bei der Irren auf der Liege und das ist in der Kleinstadt, wo ich gerade arbeite und wohne nicht gerade unwahrscheinlich. Ihr müsst wissen, dass ich vieles dramatischer darstelle als es ist und den Fokus immer auf die kleinen witzigen Momente im Leben lege. Denn niemand will lesen: Heute habe ich den perfekten Ultraschall hingelegt und das Baby hat tatsächlich nach Geburt so viel gewogen, wie ich ausgemessen hab! Da denkt man sich doch: Wen interessiert der Käse? Erstmal entliken.
Deshalb werde ich weiter über Lustiges aus dem Arbeits-, und Liebesleben berichten, aber heikle Sachen einfach weglassen. Außerdem werde ich alle Stories über Patienten abwandeln. Also: Alle Geschichten über Patienten, die folgen werden, sind frei erfunden und an die Situationskomik angepasst. Die Krankheitsbilder werden so umgewandelt, dass wenn einer von euch denkt: Moment: Meine Großcousine dritten Grades liegt doch gerade bei der auf Station und hat die gleiche Krankheit: Seit beruhigt, das ist dann nur Zufall.

Der eigentliche Post (nach Lolas Kritik bearbeitet. Hoffe jetzt geht er einiger Maßen. Vielleicht bin ich in den 4 Wochen in der Arbeitswelt auch einfach unlustig und langweilig geworden (= erwachsen)?:


Heftig, jetzt bin ich schon 4 Wochen am mallochen, wie schnell doch die Zeit vergeht.
In der ersten Woche fühlte ich mich noch nutzloser, als ein PJler, doch schon in der zweiten Woche hieß es: „ Alter was sind wir knapp besetzt! Anna traust du dir zu, die Station 3 alleine zu betreuen?“ „Klar!“ Nicht. Was ist nochmal Station 3?

 Und schwupps war ich auf einmal Stationsarzt von 30 Patientinnen.
Die Schwestern riefen mir vom Weiten „Frau Doktor, wir brauchen eine Unterschrift!“ (sag ich doch: Doktorarbeit ist überflüssig.) über den Flur entgegen und ich setzte ein wichtiges-Stationsarzt-Face auf, als würde ich gerade den Versailler Vertrag unterzeichnen. „Was unterschreib ich da eigentlich gerade Wichtiges?“ „Ein Rezept für eine Milchpumpe.“ Achso. Wie aufregend.
Weiter geht’s in mein persönliches Arztzimmer. „Was muss ich nochmal anklicken, wenn ich den Eisenstandard verordnen will?, fragte ich hilflos eine der Schwestern, nachdem ich bereits 30 Minuten verzweifelt auf den Bildschirm starrte und wild in der Gegend rumgeklickt hatte. „Keine Ahnung, das müssen Sie doch wissen!“ „Du kannst mich ruhig Anna nennen“, sagte ich großzügig.
„Ich bleib lieber beim Sie“, kam als Antwort und zack saß ich wieder alleine und verloren in meinem Büro. Oha. Schwesternliebling war ich also noch nicht.
Visite kann ja nicht so schwer sein! Frisch ans Werk und rein in die Zimmer. Einfach fragen wies so geht, wichtigtuerisch  auf dem Bauch rumdrücken und sagen: Morgen könnse nach Hause. Sind ja alle eigentlich nicht krank, sondern haben nur frisch entbunden? Denkste.
Die eine hatte den Katheter voll mit Blut, die andere Kältegefühl im Gesicht seit der Narkose, und die andere fragte mich, ob der seltene Geburtsfehler ihres Kindes schlimm sei. Puh. Fragen sie doch mal Google, ist wahrscheinlich keine gute Antwort. „Das kann mal so, mal so sein. Das ist ganz unterschiedlich. Wichtig ist doch, dass der Maus sonst nichts fehlt.“ Gut aus der A-Fähre gezogen, oder? Die Mutter war auf jeden Fall zufrieden mit der Antwort. Einfach immer selbstsicheres Auftreten, bei völliger Ahnungslosigkeit.
 Wenigstens wurd mir beim Mittagessen von allen anerkennend auf den Rücken geklopft und es hieß: „Du hast echt Eier inna Buchse mit der Station 3! Hut ab, du hast ja gerade alle Komplikationen da liegen, die es so gibt!“.

Also eigentlich hab ich eher was anderes in der Buchse, wenn ich nachts wach im Bett liege und bete, dass alle noch leben am nächsten Tag aber okaaaay! Bis jetzt sind aber alle wohl auf und die Siez-Schwester meinte am Freitag: „Sie machen sich gut, dafür, dass sie frisch von der Uni kommen.“

Juhuu. Danach stand ich erstmal vorm Spiegel in meinem Private-Arzt-Zimmer und sagte „Jahaa Sie machen sich überaus gut Frau Doktor.“ Und kam mir dabei etwas irre vor. Danach bin ich erstmal heftig gegen die Untersuchungslampe gerannt, in Anwesenheit einer Patientin. Da fühlt man sich einmal ein bisschen cool und macht es gleich wieder zu nichte.

 Am nächsten Tag dann um 7Uhr Chefvisite. Aufgeregt las ich meine Krackelnotizen von einem zerknitterten Zettel ab, verhaspelte mich bei jedem Wort  („24 Jährige Erstgravida, Nullipara in der 30+2. Schwangerschaftswoche mit Zervix Insuffizienz..“  – Alter wie soll man das auch fehlerfrei aufsagen, wenn einen 10 Augenpaare anstarren und das Nikotinpflaster am Rücken juckt wie Sau??!) als sich aus meiner Kitteltasche mehrmals das Handy mit Quizduellbenachrichtigungen meldete. Sehr professionell Anna.
Mein neuster bester Arbeitshomie ist natürlich die PJlerin. Die weiß leider auch mehr als ich, aber davon kann man ja profitieren. Blöd nur, dass ich deshalb manchmal noch gefragt werde: "Sie sind doch noch Studentin oder?" Ähm nee.

 Einmal gingen wir zu dritt nach der Arbeit noch auf nen Kaffee in die Stadt, während ich die ganze Zeit dachte: „Wann ham die endlich ihre Tassen leer, dass ich nach Hause, dieses juckende Nikotinpflaster abreißen  (hab Allergie dagegen) und mir ne Fluppe anmachen kann?!“ (die sollen nicht wissen, dass ich eigentlich Kettenraucher bin), als das Gespräch auf unser PJ in der Schweiz kam.
Maxi (Assistenzärztin) und ich fanden auf einmal heraus, dass wir beide Adonis kennen! „Also das war ja ein Asi! Der wurde bei uns rausgeschmissen, weil der sich an eine PJlerin rangeschmissen hat und die den dann beim Chef wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemeldet hatte!!“, rief Maxi. „Widerlich sowas! Bah!“ antworte ich in einer schauspielerischen Glanzleistung und dachte insgeheim daran wie ich vollgestopft mit Kritharraki in seiner Badewanne lag und Panflötengedudel im Hintergrund lief. Wenn die wüssten.
Hab ich schon erzählt wie geil meine neue Altbauwohnung ist? (Ja. Mehrmals.) Die musste ich unbedingt meiner Arbeitskumpelin zeigen und dabei Bier trinken. Nennen wir sie Vera. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und outete mich: „Du ich rauche in meiner Freizeit leidenschaftlich Kette. Findest du mich jetzt unprofessionell?“ „Hach geil! Ich auch!“ antwortete sie und zog ne Schachtel Pall Mall aus der Tasche. Hihi. „Und wie machst du das auf der Arbeit?“ „Nikotinpflaster.“ „Hahaha und ich hab mich schon gewundert, was du da immer so rot umrandete Pflaster auf dem Rücken hast!? Ich dachte, dass wären vielleicht Morphinpflaster wegen Krebs gewesen und hatte voll Mitleid mit dir.“
 Wenn man schon so am Deeptalken ist, kann man sich ja auch noch wegen Adonis outen „HAHAHA Anna du bist so ne geile Sau!! Hammer! Hihihi!“ Da seht ihrs wieder: Mit Ehrlichkeit kann man meistens nur gewinnen. Und zwar ehrliche Freundschaften. Bringt doch nix, wenn man sich braver darstellt als man ist.
Ab dieser Woche bin ich im Kreissaal. Da geht die Post ab sag ich euch. Wollte letztens heimlich wegen allgemeiner Überforderung in eine stille Ecke huschen, damit niemand sieht, dass ich heule und lief tränenüberströmt in die Personalküche. Leider hatten die Hebammen gerade Übergabe und 10 Augenpaare starrten mich an. Hallooo! Hach diese Pollenallergie macht mich fertig Leute! Ich geh mal wieder. Tschüüüss.

 Eine Hebamme hasst mich übrigens. Den ganzen Tag hatte sie mich schon angeranzt und die Tür theatralisch geknallt, wenn ich irgendwas vergessen hatte (Hallo? Zweiter Tag im Kreissaal und jeder denkt, weil man 320 Fragen im Examen gekreuzt hat, wär man auf einmal allwissend und könnte problemlos mit Ultraschall und Skalpell umgehen?)  „Wie heißen Sie überhaupt?“  (patziger Unterton, untermalt mit wütenden Spucketropfen.)
„Fähre. Anna. Hab ich mich etwa nicht vorgestellt?“
 „Nö. Ich bin heute auch zum ersten Mal da im April, also geht das gar nicht!“ Jetzt einfach cool bleiben.
 „Ach… (kurzer Blick aufs Namensschild)  …Dörte, also ich kenn dich auf jeden Fall! (Ich liebe Namensschilder.) Ich glaub wir haben uns beim Probearbeiten im März kurz gesehen. Weißt du das denn nicht mehr?“ Dabei noch vertraut über den Arm reiben und Zack hat man die Sympathie wieder auf seiner Seite, obwohl ich Dörte echt noch nie gesehen hab vorher.

Apropos Arm reiben. Ich habs grad irgendwie mit vertrautem Körperkontakt: Heute bin ich meiner Oberärztin ausversehen in die Hacken gelatscht, als wir eilig zum OP gerannt sind. Ich wollte ihr entschuldigend auf den Rücken tätscheln, weil sie echt aufgeschrieen hat vor Schmerz, bin aber leider ne Etage zu tief gerutscht und hab ihr auf den Hintern gehauen. Also gleich 2 Fauxpas hintereinander. Ja so ist das wenn man krampfhaft seriös und allwissend wirken will: Man latscht von einem Fettnapf in den nächsten. Aber sonst wär das Leben ja auch langweilig oder?



4 Kommentare:

  1. Lola hat offensichtlich gut korrigiert ;) so erfrischend!

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  2. Hach, da weiß man ja gar nicht, auf was man Bezug nehmen soll. Höhepunkte von oben bis unten. Nebst der Adonis kann da nicht hervorstechen. :D

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  3. Yeah, ich freue mich rießig, dass du weiterschreibst! :)
    Und der Text ist locker und witzig geschrieben,
    ich freue mich auf mehr.

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  4. Hehe... ich hab mich köstlich unterhalten gefühlt. ;D

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Na was sachste dazu, Babe?