Nächtliche Selbstzweifel.

Ich liege in letzter Zeit oft nachts wach.
Meistens werde ich durch das Schnarchen meines Hausnachbarns geweckt: er scheint früher als ich pennen zu gehen und morgens länger liegen bleiben zu können, also kein Moment der Ruhe für mich.

Kennen wir das nicht alle? Nachts erscheinen alle Probleme riesig.
Ich liege da, in diesem immer noch fremden Bett und überlege: du musst mehr Sport machen, wann hast du aufgehört täglich ins Fitnessstudio zu gehen wie noch vor 3 Jahren?
 Da sahst du echt heiß aus. Und wieso hast du überhaupt mit Rauchen angefangen? 
Morgen höre ich auf! Und wieso schreibst du nicht endlich deine scheiß Doktorarbeit? Du wirst es dein ganzen Leben lang bereuen, wenn du immer mit Frau Fähre angesprochen wirst und deine Kollegen, die blöder sind als du, mit „ihre DuRchlaucht.“ 
Und was soll eigentlich dieser dämliche Blog? Wenn du auf ne Party mit Freunden gehst, die du länger nicht gesehen hast, kommt das Übliche „Und was gibst so Neues bei euch?“. Nur bei dir sagt jeder: „Fähre von dir wissen wir ja Alles. Steht ja in deinem Blog.“ Irgendwie unangenehm und leicht peinlich! 
Interessiert überhaupt irgendwen der Müll, den du da abends aus Langeweile schreibst?  Und diese ganzen Verträge die du noch am Laufen hast (zum Beispiel mit dem Fitnessstudio, das du seit nem Jahr nicht mehr von innen gesehen hast), musst du auch mal kündigen. 
Und was willst du eigentlich genau werden in nem halben Jahr? Chirurg? Frauenärztin? Hausfrau und Mutter ohne Haus, Mann und Kind? 
So geht das dann die ganze Nacht:  Du solltest, Du musst, Du bist.

Wenn dann morgens um 6 der Wecker klingelt und der Nachbarstyp sich noch mal umdreht, verschwinden die Gedanken mit dem Betätigen des Lichtschalters.
 Ich hole mir einen Kaffee und gehe erstmal auf den Balkon gepflegt eine rauchen. Hach tut das gut. Betrachte mich danach im Spiegel, ziehe den Bauch ein und denke:  Ach geht doch noch und wieso abrackern? Sieht doch gerade eh keiner.
Nebenbei werfe ich einen verschlafenen Blick aufs Handy - Ah eine Nachricht von nem Kumpel:
 „Hey Anna dein letzter Blogeintrag  Die Uhr tickt  hat mich inspiriert!! Hab ner alten Bekannten geschrieben, wir haben uns mal wieder getroffen und wollen es nochmal miteinander versuchen! Danke!!“ Oh. Irgendwer scheint den Quatsch also doch zu lesen und ich schaffe es sogar das Leben zweier Menschen positiv damit zu verändern! Geil! (Aber warum nicht mal meins zur Abwechslung?)


Wenn ich nach Rauch stinkend das Spital betrete, ruft mir schon von Weitem ein Patient „ Grüetzi Frau Doktor!!!“zu, und überschlägt sich dabei fast mit seinem Rollator vor Freude.
In der Frühbesprechung lasse ich den Blick über die Namensschilder der Kollegen kreisen und bemerke selbstgefällig: Nur die Hälfte hat die 2 Buchstaben vorm Namen stehen. Wozu abrackern? 
 Dann wird vorgetragen, was in der Nacht passiert ist. Beiläufig wird erwähnt: „Die 36-jährige Frau XY mit dem Magenkarzinom, welches vor 2 Monaten erstmals diagnostiziert wurde,  ist heute Nacht verstorben. Die Angehörigen wurden informiert. Schönen Tag Allen!“ 


Was waren jetzt nochmal genau meine Probleme heute Nacht?



6 Kommentare:

  1. Ich lese das hier und ich mag es. Hör bloß nicht auf damit. Mit dem blog und mit anna Fähre. Bloß nich verbiegen lassen.
    Und trotzdem wer kennt sie nicht; dieses laute zweite ich das nachts so gern den Zeigefinger hebt...

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  2. Dranbleiben am Blog!
    Verändern was du wirklich verändern willst, ist echt ratsam. Erst Recht wenn du fast täglich mit dem Tod konfrontiert wirst im KH. Das sollte dir doch erst Recht zeigen, dass die Zeit ein dummes Ding ist, dass nie wieder kommt und du Veränderungen wirklich direkt umsetzten solltest.
    Ich glaube, dass dich einfach zum einen die Sucht und zum anderen der Schweinehund etwas in die Mangel nimmt. Das Letzere ist bei mir täglich ein Problem! Aber in kleinen Schritten dran arbeiten, dann wird das schon...

    Dein Blog gehört zu meinen Lieblingen! Weil du sehr großes Talent zum schreiben und unterhalten hast! Das ist nicht selbstverständlich, erst Recht nicht im deutschen Bloguniversum, in dem es nur um Selbstdarstellung und die immer selben DM-Produktkacke geht...
    Ich würde mir wünschen, auch wenn dir ab und an das bloggen schwer fallen wird, dran zu bleiben! Neue Ideen und Inspirationen gibt es im Leben genug! Und ich verfolge deine Geschichte in jedem Posting!
    Liebe Grüße Mario

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  3. Nicht aufhören! Wäre mehr als unnötig. Yoh.

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  4. jaaa*_* freue mich gerade so, dass ich deinen blog gefunden habe ;D mich interessiert medizin nämlich einfach so unglaublich ...hach...ich bin noch am Überlegen, was ich denn studieren soll....ist wirklich nicht einfach...;) und du bist richtig cool:D toller schreibstil:D

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  5. wehe du hörst mit dem blog auf !

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  6. Keine Angst Leude, der Post sollte eigentlich nur untermalen, das alle Sorgen die man sich manchmal des nachts macht, bei Tageslicht oder wenn man sie aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, nichtig und klein erscheinen. Dank meines ausgeprägtem Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms wird der Blog wohl noch eine ganze Zeit weiter bestehen ;) Und wenn Fred erstmal das neue Layout fertig hat, gehts richtig ab :D Aber danke für euren Zuspruch! Das motiviert ungemein genauso wie, wenn mir, wie oben beschrieben, jemand sagt, dass mein Geschreibsel irgendwas verändert hat oder zum Nachdenken anregt. Da stell ich mich doch glatt erstmal vor den Spiegel und sage: Mann ist das toll ich zu sein! ;D Sorry komm grad vom Apero mit den Kollegen und hab einen sitzen.

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Na was sachste dazu, Babe?