Ich bin ein Scheißhaufen.

Eines meiner besten Fähigkeiten ist es, unangenehme Menschen anzuziehen, wie ein Haufen Hundescheisse die Brummer, weil ich es  einfach nie übers Herz bringe, nein zu sagen.

 Mit den Zeugen Jehovas bin ich auch per du, weil ich einmal den Fehler gemacht hatte, sie hereinzubitten, als sie bei mir klingelten. Nach 20 Minuten gemeinsamen Bibelstudium, bin ich stolze Besitzerin eines Jahresabos des Wachturms, aber es ist doch immer wieder ganz amüsant beim kacken darin zu schmökern und dabei festzustellen: Alles was diese freundlichen Leute als Ausgeburt des Bösen empfinden, bin ich. Yeah.

Gestern klingelte es an meiner WG-Tür und ich öffnete sie überschwänglich, weil ich dachte es wäre meine neue Mitbewohnerin. Ein dicker bebrillter Riese um die 40 mit Halbglatze und Schweissflecken unter den Achseln stand davor und ich erinnerte mich wage daran, ihm mal im Treppenhaus kurz Gruetzi gesagt zu haben, als man sich zufällig über den Weg lief. 

„Hallo ich bin Willfried und wollte fragen ob du mal Lust hast, auf nen Kaffee zu mir hochzukommen.“ 

Oh. Äh nein, seh ich so aus oder was? 

„Joa warum nicht“, kam da auch schon aus meinem Mund raus.

 „Sollen wir gleich schon was fest vereinbaren?“

 „Mh morgen nachmittag?“

 „Also gut dann morgen um 2 - freu mich!“ 

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel bekam ich erst mal einen Schreikrampf. „ANNA du bist so bescheuert!“ Aber wenn Fähre was zusagt, dann steht sie auch zu ihrem Wort. 

Habe heute extra nicht geduscht, warf mir einen alten labbrigen Pulli mit monatealten Zahnpastaflecken über, knibbelte noch etwas an meinen paar Pickeln herum, damit sie besonders auffallend leuchten und ging in Zeitlupen-Tempo ein Stockwerk höher.

 Als ich in der Wohnung war schloss er direkt hinter mir ab. Gefangen. Jetzt gibt’s kein zurück mehr, wo ist meine Pfefferspray Nachbarin Melli, wenn man sie mal braucht??? 

Es gab Tee und Kuchen aus der Mikrowelle. Ich nahm erst mal einen winzigen Schluck um zu gucken, ob da eventuell K.O. Tropfen drin sein könnten, aber es passierte nichts. 

„Du trägst Kontaktlinsen Anne. Gestern hattest du aber noch eine Brille auf. Du siehst aber mit beidem gut aus.  Wo warst du eben, ich habe gesehen, dass du von draußen herein kamst. Du rauchst oder? Hab ich gestern gerochen, als du die Tür aufgemacht hast. Dein Auto ist der rote Mini oder? Hab da mal reingeschaut, ganz schön unordentlich da drinnen.“  

 Ich versuchte krampfhaft den Apfelstrudel nicht auf das Teeservice zu würgen und bemühte mich unbeindruckt cool zu wirken. Das Problem ist, ich kenne diesen stalkerigen Mann. Er ist der Exmann einer Patientin von uns, die vor 3 Wochen erst verstorben ist und ich weiß, dass er an Schizophrenie erkrankt ist. Warum ich trotzdem alleine seine Wohnung betreten habe, weiß ich nicht. Ich kann halt nicht nein sagen. Vor allen Dingen nicht, wenn man mich Samstag mittags überrumpelt, wenn ich verkatert und mit Restalkohol vom Feiern mit den Kollegen die Tür öffne. Als er in der Küche verschwand, rief er: „Hast du was gesagt Anne?“ „Nein.“ Das waren hoffentlich nicht deine Stimmen, die dir einreden – Töte diese böse Frau.

 Bei der zweiten Tasse Tee erzählte er mir von seiner verstorbenen Ex-Frau. Komisch wenn man so tun muss, als wäre diese Info neu für einen und dann Betroffenheit vortäuschen muss auf Knopfdruck, aber ich glaube es ist mir ganz gut gelungen. Dabei betonte er mehrmals, dass er jetzt solo sei und auf der Suche ist. Und arbeitslos.

 „Wir können ja auch mal zusammen ins Freibad oder du kommst mal auf ein Glas Wein zu mir! Magst du lieber Rot- oder Weißwein?“

 „Ja gerne. Weißwein.“ Anna du Arsch!!! Halt einfach deine Klappe und behaupte, dass dein Freund, das bestimmt nicht so klasse fände. Nach anderthalb Stunden erfand ich, noch Besuch zu erwarten und verabschiedete mich. „Das können wir ruhig öfter machen, wann hast du Zeit?“ Jetzt wäre die Chance zu sagen: Du ich glaub das lassen wir mal lieber Babe. Das mit uns wird leider nix. Aber stattdessen kam nur ein unverbindliches „Du diese Woche ist ganz schlecht, bin jeden Tag 12 Stunden am malochen und danach zu nichts zu gebrauchen. Ich melde mich einfach.“ „Super bis dann Anne.“ „Ich heiße Anna. Tschüss.“ 

Oh man aus dieser Nummer komme ich nicht mehr so schnell raus, befürchte ich. Ich liebe mein Leben. Ich sags ja, ich hab mein Karma versaut.