Redebedarf.

Sorry Leude, dass ich im Moment nicht so oft wie gewohnt von mir hören lasse. Arbeite jeden Tag 10-12h, habe aktuell mal keine Männergeschichten am Start, in die ich mich erst hysterisch reinsteigern könnte, um danach wieder zu verkünden: ich habs mal wieder verkackt!!
Bin einfach gerade glücklich mit mir selbst und meinem Leben, dass es mir schwer fällt im gewohnt sarkastischem Ton über irgendwelche Sachen oder Leute abzuhaten. Schön für mich, aber einfach uninteressant zum lesen. 

Bin zur Zeit in der Notaufnahme eingeteilt, was in jeder Uniklinik mega aufregend und spektakulär wäre, wenn man irgenwem notfallmässig die Luftröhre aufschlitzen müsste oder mit Herzmassage jemanden wieder beleben könnte, aber nicht in diesem Wald-und-Wiesen-Spital hier: Da ist Notfall-Dienst einfach ein Synonym für unbezahlte Überstunden.
 Gestern sah alles so aus als könnte man früh nen Abgang machen, ich fuhr gegen 15 Uhr meinen PC runter und hängte den Kittel an den Nagel, als meine Oberärztin mich auf meinem wichtig aussehendem Diensthandy anrief: „Anna es ist gerade ein Verdacht auf Thrombose rein gekommen, kannst du dir die Frau noch „kurz“ anlurgen?“ „Jo.“

 Das wars dann mit dem frühen Feierabend. "Kurz Anlurgen" heißt, man muss mit dem Patienten einen 5 seitigen Aufnahmebogen durchgehen und 40 Symptome wie Nykturie („Müssen sie nachts aufstehen, weil sie Strullen müssen?“) oder Meläna („Haben Sie schwarzes Blut in ihrer Kacke bemerkt?“) abfragen. Eigentlich keine große Sache, wenn man das nicht Freitag nachmittags bei ner Oma machen soll, die sich denkt: „Juhuu! Endlich mal einer der interessiert nachfragt! Der erzähl ich jetzt erst mal mein ganzes spannendes Leben!“

„Müssen sie nachts aufstehen zum Wasserlösen?“ – „ Nein, aber mein Mann! Bis zu 5 mal nachts musste der raus. Leider ist er vor 10 Jahren gestorben. Seit dem bin ich sowas von einsam und ..“ – „Aha. Wie siehts mit ihrem Appetiet aus?“ – „Seit mein Mann gestorben ist, macht mir alleine kochen keinen Spaß, meißtens esse ich mit Freundinnen. Aber ich hab leider nicht mehr so viele Freunde und..“ 

Nach einer Stunde hatte ich den Fragebogen dann endlich abgearbeitet und die rüstige Dame von Kopf bis Fuß, inklusive aller Körperöffnungen, untersucht. Schnell die Oberärztin anrufen und dann ab zum kühlen Feierabendbier. Während des Gesprächs hatten mich meine Mitbewohner nämlich schon mehrmals auf dem Diensthandy angerufen: „Wir haben jetzt frei und gehen nach Hause grillen, kommst du mit?“ „ NEIN, kann sich nur noch um Stunden handeln hier!!!“ 

Leider hatte an dem Tag die langsame Oberärztin Christel Dienst, die glaube ich denkt ich wär zu doof den Fragebogen selbstständig auszufüllen und fragt dann alles der Reihe nach nochmal ab. So zog die nächste Stunde ins Land. „So Anna, die Frau hat also keine Thrombose und kann nach Hause, schreibst du noch „schnell“ den Bericht für den Hausarzt?“ „Jup.“ Also schnell an den PC am Pflegethresen gechillt und irgendwas wischi waschi hingerotzt. Christel ändert das sowieso wieder alles, wozu sich da Mühe geben. 

Da betrat ein Pfleger den Kabuff und hatte die Idee mich kennenlernen zu wollen. „ Woher kommst du? Was willst du werden? Wie ist das PJ so in der Schweiz? Wie sieht die Arbeitslage in Deutschland aus?“ Eigentlich ja nett, aber versucht mal nebenbei auf fachchinesisch was Kluges zu schreiben, was nicht so klingt wie: „ Die Patientin hat nix, wir stellen ihr aber trotzdem ein Rezept für Paracetamol aus, damit sie denkt wir würden was machen.“ 

 Um sieben war ich dann endlich fertig. Das ist das Einzige was ich an meinem Job bescheuert finde. Im Arbeitsvertrag steht: 16 Uhr Feierabend, aber wenn man wirklich um Punkt vier sein Stethoskop fallen lassen würde, gilt man als asozial und uninteressiert und darf am nächsten Tag nichts mehr machen außer Berichte von Hausärzten anfordern vielleicht. Also bleibt man, schuftet und hält sein Maul.

Frustriert ging ich in mein Büro um endlich zum fröhlichen Grillabend abzudampfen. „Anna du kommst genau richtig!!! Willst du ein Feierabendbier?“ Da saßen sie meine lieben Assis mit
Quöllfrisch in der Hand und Füsse auf den Patientenakten und lachten gerade über eine Fotomontage eines halbnackten Bodybuilders, auf dessen Kopf sie den unseres „Lieblings“-Oberarztes geklebt hatten. Hach da vergisst man doch wieder seinen Scheißtag und gesellt sich dazu. „Wir grillen gleich bei mir in der WG, wollt ihr auch kommen?“ Klar waren sie dabei.

Als ich abgekämpft meine WG betrat, waren der Grill und die Lampen der anderen bereits an. Ich liebe es!
 „Habt ihr die Maiskolben irgendwie besonders gewürzt - die sind so scharf?“ fragte Assi Ali mampfend. „Nö ich hab mir die lediglich der Reihe nach rektal eingeführt eben.“ Stille. Fähre du vergisst manchmal, dass nicht jeder deinen schrägen Humor witzig, sondern einfach nur abartig und unsexy findet. Doch nach 2 Sekunden „Ratter Ratter, hat sie das grad wirklich gesagt?“ brachen dann doch fast alle in Gelächter aus. „Oh man Anna du wirst uns so fehlen wenn du in einem Monat weg bist, was machen wir nur ohne dich? Du bist hier echt der coole, gechillte Pol in der Truppe, der immer alle zum Lachen bringt…“  „Tja Babes jetzt heult ma nicht rumm, bin ja noch 4 Wochen da. Will noch wer nen Maiskolben?“

Helga verträgt übrigens keinen Alkohol. Gegen 1 fing sie an meine vom Munde abgesparten Zigaretten zu schnorren und lallte mir beim paffen hustend ihr Leid in die Ohren. „ Ich hab im Studium keine Freunde, weil ich hyperaktiv bin und jedem einfach nach 5 Minuten auf den Geist gehe. Lena mag mich auch nicht, was soll ich nur machen, wenn du weg bist, du bist einfach durch nichts aus der Ruhe zu bringen und der Vermittler zwischen uns beiden…“ Bin halt ein guter Schauspieler ne. Mir ging Helga schon auf die Eier, als sie mit ihren Wandersandalen und abnehmbaren Reißverschluss - Hosenbeinen zur Tür rein kam. Aber lassen wir das. Am nächsten Tag hing Helga dann reihernd über der Klohschüssel und Lena und ich nutzten die Gunst der Stunde, ohne sie zum Bodensee zu fahren. Dabei brachte Lena es ganz gut auf den Punkt: „Ich lass mir doch von der prämenopausalen Östrogenqualle nicht mein PJ Tertial vermiesen, nur weil sie denkt wir sind ihre Kinder, die sie bemuttern kann! Was mach ich nur, wenn du weg bist?“  Ich weiß es auch nicht.

1 Kommentar:

  1. "...in die ich mich erst hysterisch reinsteigern könnte, um danach wieder zu verkünden: ich habs mal wieder verkackt!!"

    Das is schon meine Lebensgeschichte (okay, nicht mit Männern) das gibt ne Plagiatsklage :D

    AntwortenLöschen

Na was sachste dazu, Babe?